Sonntag, 24. September 2017

Ich werde kurz vor dem Weckerklingeln wach und hüpfe durchs taufrische Gras bis unter die Dusche. Meine Frage an Tobias, ob wir das Wohnmobil jetzt nicht abschließen sollten beantwortet er mit: “Böse Leute schlafen lange.” “Öhm und was ist mit dir?” “Ich schlafe den Schlaf der Gerechten.” Wir frühstücken in der Morgensonne und machen uns auf den Weg in die Stadt.

Good Morning, Father!

Wir parken in der Innenstadt, ein wenig auf dem Bürgersteig, ein wenig auf der Fahrbahn. Wird an einem Sonntag schon gehen… Bis zur Basilika St.  Dunstan sind es nur wenige Schritte. Der Pfarrer begrüßt uns vor der Tür, wünscht uns einen schönen Tag. Die Kirche – eine der größten Kanadas – füllt sich langsam, der Chor probt noch ein bisschen. Acht Messdiener, ein emeritierter Erzbischof und der Pfarrer versammeln sich im Altarraum. Der Pfarrer begrüßt alle und brav antwortet die Gemeinde: “Good Morning, Father!” Es gibt ein DIN A5-großes Gesangbuch, ein Softcover mit allen Texten des Kirchenjahres und ein Softcover mit dem Wortlaut der Heiligen Messe – also wer wann was warum zu sagen hat. Sehr praktisch, so kann man auf Englisch mitbeten.

Die Letzten werden die Ersten sein

Die Kantorin ist eine quirlige Person mit blonden Zieharmonikalöckchen. Mit sanften Bewegungen lädt sie zum Mitsingen ein,  ihr klarer Sopran erfüllt die ganze Kirche. Der Spieltisch der Orgel befindet sich direkt neben den Bänken des Chores, so dass der Chorleiter stets einen Blick zu den Sängerinnen und Sängern und zum Altar hat. Der Bischof e.m. verliest das Evangelium – die Letzten werden die Ersten sein. Die Kinder bringen ihre Kollekte direkt in eine Schale, die vor dem Altar steht. Aus letzterem fischt der Priester schnell ein Kreuz und das Mikrophon – die Wandlung kann beginnen. Zum Schluss der Messe lädt er alle zum Picknick auf die Straße ein.

Kampf  mit dem Hummer

Das Picknick zieht mich magisch an: Es gibt Würstchen und Hamburger, mitten auf der gesperrten Straße stehen Picknicktische, ein Alleinunterhalter stimmt “Country Roads” an. Tobias möchte lieber im Restaurant essen und so schlendern wir weiter Richtung Hafen. Wir finden ein Restaurant mit Blick aufs Wasser. Während es bei Tobias gebratenen Fisch gibt, gönne ich mir einen Hummer. Eine kleine Herausforderung, aber es gelingt mir, ihm das saftige Fleisch zu entziehen. Zum Nachtisch gibt’s im Laden gegenüber das angeblich beste Eis Kanadas. Ganz unrecht haben sie nicht – sogar die Waffelhörnchen werden hier frisch gebacken!

Hopewell Rocks

Es geht wieder zurück nach New Brunswick, für 45 $ dürfen wir über die Brücke zurückfahren. Tobias döst immer wieder ein, was mir einen grandiose Aufholjagd in Sachen Kirchen und Kreuze beschert.  Am späten Nachmittag erreichen wir die Hopewell Rocks.  Ein Park-Ranger erläutert uns, dass der Parkplatz bereits geschlossen hat, wir uns aber gerne einfach hier herstellen und zu Fuß zu den Felsen gehen können. Nach 800 Metern erreichen wir die Flowerpot Rocks. Vor rund 90  Minuten war Flut,  so dass wir sie jetzt noch halb im Wasser stehend betrachten können. Das Wasser steigt hier bei Flut in kürzester Zeit um bis zu 16 Meter – und gilt somit als größter Tidenhub der Welt.

Ponderosa Pine Campinground

Nur wenige Fahrminuten entfernt liegt unser Campingplatz für die kommende Nacht. Laut eigenen Angaben soll er der sauberste von ganz Kanada sein  – bei rund 50$ pro Nacht darf man das auch erwarten. Die Toiletten sind frisch renoviert, der Shop hat jedoch bereits so früh geschlossen, dass Tobias das Feierabendbier verwehrt bleibt. Nach dem Abendessen sitzen wir – gut benebelt von OFF – so lange vor unserem Wohnmobil. bis der Regen einsetzt. Wir verlagern alles ins Innere (lassen die Mücken jedoch außen vor) und verbringen im Regenprasseln den Abend.

Bundestagswahl

Ja,  auch hier in Kanada verfolge ich den Ausgang der Bundestagswahl. Mit Erschrecken und Ohnmacht muss ich lesen, dass die AfD mit rund 13% drittstärkste Kraft hinter Union und SPD wird. Und Gauland sagt: “Wir werden sie jagen […] wir holen uns unser Land und unser Volk zurück.” Mir wird übel, als ich das lese. Meine Eltern haben den Krieg nicht erlebt und auch ich durfte bisher in einem friedlichen Deutschland leben, in einem Land, mit dessen Pass ich in nahezu alle Winkel dieser Erde reisen darf. In einem Land, in dem ich “Multikulti” erfahren durfte und darf, indem ein Miteinander alle Kulturen möglich ist und war. In einem Land, in dem ich mich immer sicher gefühlt habe, ganz egal, wer mir da tags oder nachts über den Weg gelaufen ist. 13% AfD heißt aber auch, dass 87% der Wählerinnen und Wähler GEGEN rechtes Gedankengut sind und für ein BUNTES Deutschland. Kämpfen wir weiter gegen die Drachen unserer Zeit und ermutigen wir Kinder und Jugendliche, sich ein Bild von der Welt zu machen, die so wunderbar geschaffen wurde und uns allen – groß und klein, dick und dünn, schwarz und weiß – von IHM anvertraut worden ist.

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