Mittwoch, 21. August 2013

Auf besonderen Wunsch eines Bloglesers gibt es ab heute in meinen Reiseberichten Absätze mit Zwischenüberschriften. In einem Tagebuch habe ich das noch nie gemacht,  aber es ist ja mal einen Versuch wert.

Tallinn inmitten alter Stadtmauern

8 Uhr aufstehen, duschen, los geht’s. Dummerweise hat kaum ein Café bereits geöffnet. Ich schlendere durch die Gassen und frühstücke dann in einem kleinen Café in einer Seitenstraße,  die zum Rathausplatz führt. Es gibt Pfannkuchen mit Himbeermarmelade und Sahne, dazu einen äußerst cremigen Kakao. IMG_6741 Auf dem Rathausplatz ist Markt! Fellschuhe, Wollmützen, Bernsteinamulette,  Buttermesser, Handgeschmiedetes und vieles mehr stehen zum Verkauf. Das Rathaus selbst ist das einzig erhaltene gotische Rathaus (1402) des Baltikums. Ich gehe bis zum Viru-Tor und laufe auf der Müürivahe immer an der Stadtmauer entlang. Frauen haben sich in den mächtigen Torbögen mit ihren Strick- und Wollwaren ausgebreitet. In der Nähe der orthodoxen Kirche kann man einen der alten Wehrtürme begehen, 3,-  € werden fällig.  Auf der Stadtmauer geht es wieder Richtung Viru-Tor. Die Stadtmauer wurde im 13.  Jahrhundert errichtet.  Sie ist 3  m dick,  16  m hoch und hatte 46 Wehrtürme. Gut die Hälfte des Bauwerks ist noch erhalten. Von oben hat man einen tollen Blick über die Innenstadt und die neuen Viertel. Es geht in den Türmen immer sehr enge Steintreppen nach oben, zum Teil sind die Stufen doppelt so hoch wie normal.  Nur mühsam komme ich rückwärts wieder hinunter – aber der Aufstieg hat sich gelohnt,  schließlich kann man bin in den Hafen blicken, in dem mächtige Kreuzfahrtschiffe vor Anker liegen.

Eintrittsgelder läppern sich

Bis zur St. Olav-Kirche ist es nicht weit. Der Turm verspricht eine tolle Aussicht über die Stadt.  Die 2,- € für den Aufstieg bekomme ich jedoch zurück,  als ich sehe,  wie eng die Steintreppe nach oben ist und dass einem auch ständig Leute entgegenkommen. Wenn ich Licht sehen kann, ist die Platzangst nicht so schlimm, aber so? Am Innenstadtrand ragt  die Dicke Margarete hervor, ein GeschIMG_6774ützturm aus dem 16. Jahrhundert.  Gleich um die Ecke stehen “Die drei Schwestern”, die schönsten Beispiele mittelalterlichen Bausubstanz in Tallinn.  Die Gebäudegruppe aus der 1.  Hälfte des  15.  Jahrhunderts ist das Gegenstück zu den “Drei Brüdern” in Riga. Auf der Pikk entdeckt man noch zwei erhaltene Gildehäuser aus dem Mittelalter: Das Schwarzhäupterhaus und die Große Gilde. Der gegenüber steht die Heiliggeistkirche. Hier gebe ich mich als Studentin aus und zahle nur 0,50 €. Sie wurde im späten 13.  Jahrhundert erbaut und diente im  Mittelalter sowohl als Gotteshaus als auch als Krankenhaus.  Der Flügelalter zeigt 57 biblische Szenen und wurde vom Lübecker Meister Bernd Notke erstellt. Äußerst sehenswert! Weiter geht es durch die Gassen bis zum Domberg.  Viele Stufen geht es bergan, von oben hat man einen grandiosen Blick über die Stadt und den Hafen. Die Domkirche aus dem 13.  Jahrhundert ist eines der ältesten Gotteshäuser Estlands. Heute Abend um 19 Uhr ist hier ein Orgelkonzert, mal gucken,  ob ich das zeitlich schaffe.  Die orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale stammt aus der Zarenzeit und wurde Ende des 19.  Jahrhunderts im Stil des russischen Historismus mit Zwiebeltürmen erbaut. Das Betreten ist erlaubt,  Fotografieren jedoch verboten. Türkis und Gold sind die bestimmenden Farben im Innenraum.

Menschenmassen ohne Zahl, jagen, hasten überall…

Am Kiek in de Kök, einem gut erhaltenen Wehrturm der Stadtmauer geht es zurück auf den Friedensplatz. Ich werde von Menschenmassen beinahe erschlagen:  Gruppen von 20-30 Personen, die Zahlen-Aufkleber auf ihren T-Shirts tragen, dürfen auf keinen Fall den Rest ihrer Reisegruppe verlieren! Die Stadtführer gehen zügig voran und tragen weiße Schilder mit blauem Zahlenaufdruck wie ein Zepter vor sich her.  Sogar in Souvenirläden führt man die willenlosen Touristen! *kopfschüttel* Ein Mann malt mit Bleistift ein großes X auf eine weiße Säule und sagt zu seiner Frau: “So,  hier treffen wir uns in einer halben Stunde wieder.” Fremschämen für die eigenen Landsleute. Ich kehre ins “Rataskaevu 16” ein,  das mit der Typ empfohlen hat,  den ich in Riga im Hostel getroffen habe. Nach einem Zucchini-Ruccola-Salat gibt es gegrilltes Hähnchenbrustfilet auf Gemüsebett. Zum Reinknien auch das selbstgebackene Brot mit Kürbiskernen und Chili-Butter. Im estnischen Souvenirladen erstehe ich dann doch eine Kuska – und ein paar Mitbringsel. Am Viru-Tor erhebt sich eine Mauer, an der Frauen Blumen verkaufen – die scheint man sich hier zu jeder sich bietenden Gelegenheit zu schenken. Ich setze mich auf die Mauer, die einen Park von der Stadt abgrenzt und schreibe Postkarten. In der Postfiliale stelle ich fest,  dass man mich im Postkartenladen derbe übers  Ohr gehauen hat. Nun ist es zu spät.  Ich schlendere an der Oper vorbei zum Solaris-Shopping-Center. Dort decke ich mich mit Estnischer Limonade sowie Abendessen und Frühstück ein.  Zurück im Hostel lege ich erst einmal die Füße hoch.

Stimmungsvoller Abendausklang

Um 18.00 Uhr mache ich mich auf den Weg in die Stadt. An den Ampeln wird immer angezeigt,  wie lange die Grün- oder Rotphase noch dauert. Äußerst praktisch! Auf dem Friedensplatz esse ich mein Thunfisch-Sandwich – solange,  bis eine Wespe es mir streitig machen will.  Ich lasse sie erstmal gewähren,  dann kann ich in Ruhe weiteressen.  Vier asiatische Trommler bringen den ganzen Platz zum Beben, an ihren Hüten befinden sich lange Bänder, die sie durch die Luft wirbeln lassen. Bis zum Konzert ist es noch ein wenig hin, ich setze mich in die Sonne und lese ein wenig. 19.00 Uhr beginnt Kadri Ploompuu mit ihrem kraftvollen Orgelspiel: Reger, Bach,  Marchand,  Langlais  und Vierne erfüllen eine Stunde lang die imposante Kirche mit Klang. Es heißt,  die Orgel aus der Fabrik von Wilhelm Sauer sei eine der besten in Russland. Draußen ist es noch angenehm war, die Menschenmassen sind verschwunden.  Die Kuppeln der Kirchen und die Dächer der Häuser sind in sanftes Abendrot getaucht. Ich schaue beim  Langen Hermann vorbei,  dem größten erhaltenen Turm der alten Burg aus dem 13.  Jahrhundert.  Teile der Anlage wichen dem Schloss Katharinas II., das heute Sitz des estnischen Parlaments ist. Am  Mägdeturm erklingt Live-Musik aus einer Kneipe, auf dem Rathausplatz wirbt ein Feuerspucker um die Gunst der Leute. Im  Park bleibe ich sitzen und genieße lesend die herannahende Dämmerung. Zurück im Hostel schreibe ich Tagebuch (ab sofort mit Absätzen und Zwischenüberschriften :-)) und lasse den Tag mit  “Der Junge,  der Träume schenkte” und einem Smirnoff Ice ausklingen.

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