Donnerstag, 22. August 2013

Halbzeit – und der zweite und letzte Tag in Tallinn, bevor es nach Helsinki geht.

Kakao und Limonaad

Ich frühstücke im Hostel drei Zimtschnecken, bevor ich meine Sachen zusammenpacke und das Bett abziehe. Den Rucksack kann ich solange hier lassen. Ich gehe in die Stadt, dunkle Wolken hängen am Himmel, noch fällt kein Regen. Es ist längst nicht so trubelig wie gestern, schließlich ist kein Markt undIMG_6864 das Wetter eher bescheiden. Am Mägdeturm spielt ein junger Mann ein ungewöhnliches Instrument: Es hat Saiten und einige hölzerne Knöpfe. Die Saiten streicht er mit einem Bogen, wenn er die Knöpfe drückt, ertönen verschiedene Töne. So ganz verstehe ich das dennoch nicht. Ich gehe zu einem kleinen Café, doch der Milcherhitzer spuckt nur heißen Dampf aus – die Frau lächelt entschuldigend und sagt mir, wenn ich die Steinstufen in der Stadtmauer heraufgehen würde, gäbe es noch ein kleines Café. Gesagt, getan. Auf dem schmalen Sims stehen kleine Tische, dicht an dicht. Eine junge Frau bedient mich – und knöpft mir 5,50 € für ein Glas Kakao ab! Himmel hilf. Ich setze mich und trinke  – doch statt purer Schokolade erwartet mich ein Geschmack nach After Eight. Pfui Teufel. Sie will mir einen neuen Kakao machen, doch ich lehne dankend ab. Schulterzuckend meint sie, mein Geld würde ich aber nicht zurückbekommen. Wütend verlasse ich das Café. Der nächste Tiefschlag folgt in der Nikolaikirche, in der ich mir eigentlich nur das Gemälde “Der Totentanz” von Bernt Notke ansehen will. Aber nicht für 5,- € Eintritt! Am Rathaus gehe ich in die älteste Apotheke der Stadt, die 1422 zum ersten Mal erwähnt wurde. In der Straße Saiakang kehre ich im  “KehrWieder” ein, einem der ältesten Caféhäuser Estlands. Dieser Kakao schmeckt nach Kakao, wie sich das gehört. Als es beginnt zu tröpfeln, höre ich auf zu lesen und gehe in den kleinen Laden nebenan. Dort liegt ein estnisches Kochbuch – auf Deutsch! Schnell nachgeschlagen und siehe da: Das Rezept für die Limonaad ist abgedruckt! Für ca. 5 l werden 5 l Wasser aufgekocht. 1 – 3 Zitronen werden in Scheiben geschnitten und zugegeben. Dann das Wasser auf 40° C abkühlen lassen. 700 g Honig hineinrühren und das Getränk erkalten lassen. Zuletzt 25 g Hefe zugeben und gären lassen, bis Schaum entsteht, In verschlossenen Gläsern an kühler Stelle stehen lassen. Im Rataskaevu gönne ich mir ein Lachsfilet mit Spinat im Blätterteig. Lecker! Auf der Straße ziehen junge Leute “Hare krishna”  singend vorbei. Ah ja. Es geht zurück zum Hostel, nachdem ich “Der Junge, der Träume schenkte” ausgelesen habe.

Head aega, Tallinn!

CIMG3320 Um 13.30 Uhr mache ich mich auf den Weg Richtung Hafen. Es ist frisch geworden, der Himmel verdunkelt sich zusehends. Im Osten der Stadt hat sich das Rotermannviertel von einer Ansammlung verfallener Gebäude zu einem Kommerz- und Kulturzentrum mit Avantgarde-Architektur entwickelt. Zwischen alten Backsteingebäuden ragen gläserne Wohnhäuser hervor, Designerstraßenlampen säumen die mit Kopfsteinpflaster ausgelegten Wege. Hier zeigt sich Tallinn von seiner modernen Seite, zeugt von Aufbruch und europäischem Flair. Viele junge Leute schlendern durch die Gassen, Geld wird in Designer-Klamotten und –Taschen investiert. Die ersten stärkeren Tropfen fallen, beim Einsetzen eines kräftigen Schauers erreiche ich das Einkaufszentrum am Hafen. Ich überlege ernsthaft, mir einen Rucksack zu kaufen – diese Umhängetasche ist einfach sowas von nervig! Aber dann siegt meine Vernunft und ich gehe seufzend wieder aus dem Geschäft heraus. Mit ein wenig Sudoku vertreibe ich mir die Zeit. Am Fährhafen benötigt der Mann vom Check-In-Schalter lediglich meinen Pass. Ich erhalte daraufhin ein Ticket, das nicht größer ist als eine Ticket aus einem Parktautomaten. Das ist alles. Viele Passagiere trudeln mit kleinen Lastentrollis ein – auf denen transportieren sie günstigen Wein, Schnaps und Bier von Estland nach Finnland. Um 15.45 Uhr öffnen sich die Schleusen. Nicht alle Tickets werden elektronisch korrekt gelesen. Eine Frau vor mir kommt einfach nicht durch. Man läuft über lange Gänge bis man die “Star” der Tallink-Fährlinie erreicht. Ich gehe schnurstraks nach draußen und suche mir einen Platz, der überdacht ist und der sich in der Mitte des Schiffes befindet. Mit Seekrankheit ist schließlich nicht zu spaßen. Pünktlich um 16.30 Uhr schiebt sich die Fähre rückwärts aus dem Hafen und dreht sich langsam um 180 Grad. Mit Blick auf Tallinn geht die zweistündige Überfahrt nach Helsinki los. Immer wieder ertönen Alarmanlagen der im unteren Deck parkenden Autos. Auf dem Schiff wimmelt es nur so vor gut aussehenden Finnen. Und wenn ich da an Bodo und seine finnische Taigra denke… Ich schweife ab. Stattdessen genieße ich die warmen Sonnenstrahlen und döse ein wenig ein.

Einreiseland: ESTLAND

Es ist 18.30 Uhr, als die “Star” in den Hafen von Helsinki einläuft. Die SonneIMG_6893 scheint und es weht eine kühle Meeresbrise. Auf dem Weg zum Hafen passieren wir kleine Inseln, eine Flotte Segelschiffe kreuzt unseren Weg. Vom Anleger bis zum Hostel sind es rund zwei Kilometer. Der Weg ist einfach: Den Hafen im Rücken lassen und dann immer der Nase nach. Das Domus Hostel ist ein Studentenwohnheim. Ich bekomme Zimmer A315, das ist in einem anderen Gebäude. Für die Außentür benötigt man die Magnetkarte. Für die Tür zu den Fahrstühlen auch. Und diese fahren erst dann in die gewünschte Etage, wenn man erneut die Karte einsteckt. Himmel hilf! Das Zimmer liegt gegenüber der Fahrstühle. Rechts Wandschrank und Garderobe sowie eine Mikrowelle, links Badzimmer und eine kleine Einbauküche. Im Raum steht ein Regal, drei kleine Tische mit Stühlen und drei schmale Betten – wenn die 90 cm breit sind, fresse ich einen Besen. Nun gut, für drei Nächte mag das gehen. Zwei Betten sind bereits belegt, das mittlere ist noch frei. Ich versuche, das Fenster noch weiter zu öffnen, doch es gelingt nicht. Irgendwie scheinen die Scharniere falsch angebracht zu sein. Egal. Ich mache mich fertig und begebe mich in die Stadt.

Kultur pur!

Bis zum Busbahnhof sind es nur wenige Minuten. Hier fährt um 5.00 Uhr der Bus der FinnAir ab. Für 6,30 € bringt er einen direkt innerhalb von 30 Minuten zum Flughafen. Das dürfte Sonntagmorgen passen. In der Stadt treten sie dich tot, wie Mama sagen würde. Es ist 20 Uhr, Leute, was wollt ihr alle an einem Donnerstagabend hier? Mühsam kämpfe ich mich durch die Gassen, hier ein Graffiti-Künstler, dort eine kleine Band, ob das hier immer so ist? Das kleine Restaurant, das laut Stadtplan günstig etwas zu essen anbietet, scheint seit längerer Zeit gar nichts mehr anzubieten. Um die Ecke noch ein empfohlenes Restaurant – das quillt über vor Leuten. Schließlich kommt es doch soweit, ich esse bei einem gelben M eine Kleinigkeit. Dort finde ich schließlich auch heraus, was es mit den vielen Menschen auf sich hat: Heute ist Abend der Kunst!  CIMG3355 Museen hatten länger geöffnet, auf verschiedenen Plätzen gibt es Musik und Tanz. Ha, wieder alles richtig gemacht :-). Ich schlendere durch die Gassen, flüchte vor Panflöten, lausche Finnischer Folklore und schaue zu, wie ein Pärchen mitten auf der Straße zu tanzen beginnt. Grund ist ein Duo aus Kontrabassist und Gitarrist, die sich abwechseln und dann auch singen. Großartig, nur leider zu leise. Um die Ecke steht ein Bus einer “Jesus rettet”-Bewegung. Nun fängt ein langhaariger Jünger auch noch an zu singen… Fällt das auch unter Kunst? Egal. An einem Süßigkeitenstand erstehe ich eine Lakritzstange – das wäre was für Papa und Anneli, so muss Lakritz schmecken! Ich schlendere zurück zum Hostel und gehe recht früh schlafen.

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert