Der Wecker klingelt um halb sechs – die Nacht war aufgrund des langen abendlichen Telefonats kurz, ich quäle mich aus dem Bett. Fix duschen, Müll runterbringen. Der angeschlagene Zeh wird verarztet, ohne Sporteinlagen passen auch die hohen Wanderschuhe. Brote für Frühstück und Mittagessen habe ich schon gestern geschmiert, das erspart mir jetzt einiges an Zeit. Um 6.40 Uhr fährt Papa vor und bringt mich zum Bahnhof, der Zug nach Hagen ist pünktlich. Bis Schwerte sitzt Uschi aus Herdringen mit im Zug, da gibt es ein wenig Unterhaltung. In Hagen fährt der ICE 119 pünktlich um 8.15 Uhr ein, als ich den gebucht habe, war es noch ein IC.
Lange Zugfahrt
Die Sitzplatzreservierung ist damit hinfällig, denn Wagen 21 ist 2. Klasse. Ich habe ein 1. Klasse-Europa-Spar-Ticket für 63€. Ich frage einen der Zugbegleiter und er schickt mich in die erste Klasse, er würde dort Bescheid geben. Ein Vierer ist frei und ich ziehe rasch die Schuhe aus und lege die Füße hoch. Der Kontrolleur kommt und findet die Sitzplatzreservierung nicht, meint dann: „Oh okay, ne, die ist jetzt weg, das war ja noch für den IC. Bleiben Sie sitzen, entspannen Sie sich und genießen Sie die Fahrt.“ Ich versuche zu schlafen, das klappt aber nicht so richtig. Die Landschaften fliegen vorbei, ab Köln geht’s immer am Rhein entlang. Bei Koblenz die Durchsage: „Willkommen im ICE auf der Panoramaroute am Rhein.“ Die Loreley taucht auf, mir kommen aber nur noch Fragmente des Gedichtes in den Sinn. Fabian Raphael empfiehlt mir Radio Vorarlberg und die Wettervorhersage vom ORF – beide Tipps sind Gold wert! Es ist so still im Abteil, dass selbst der Reißverschluss wie eine Störung wirkt. Daher hebe ich mir das Telefonieren für einen Halt im Bahnhof auf; nachdem ich die Kopfhörer entkoppelt habe, klappt das auch besser.
Grenzübergang
Wir erreichen den Bodensee. Bei Bregenz verteilt der Herr aus dem Bordbistro kostenlosen Kaffee. Eine Dame: „Warum?“ Er: „Och, weil es ein schöner Tag ist.“ Sie: „Okay gibt’s dann auch Sekt?“ Er: „Also so schön ist er auch nicht.“ 🤣 In Lindau und Bregenz leert sich der Zug merklich, nun hat er nur noch knapp 70 km/h auf dem Tacho und tuckert durch die Alpen Richtung Innsbruck. Für Fabian fotografiere ich auch noch die Berge bei Bludenz, wo er immer Urlaub macht. Die Durchsagen werden unklarer, aber die Anzeigetafeln funktionieren. Um 17.27 Uhr, mit gerade einmal zwei Minuten Verspätung, komme ich in Langen am Arlberg an.
Zielort Lech
Der Bus kommt, der Fahrer schaut nur kurz auf mein digitales Ticket. Zwischen zwei Mitreisenden entbrennt ein Ehestreit. Er: „Wie war das mit den Stöcken?“ Sie: „Die habe ich dir da aufs Sofa gelegt.“ Er: „Lag da was drauf oder sind die nun im Koffer?“ Sie: „Da lag nichts drauf und wenn du sie eingepackt hast, dann sind sie jetzt im Koffer.“ Er: „Danke, dann sind sie jetzt nicht im Koffer.“ Sie setzt sich auf die letzte Bank und schaut auf dem Tablet bei voller Lautstärke einen Krimi, er schmollt und fragt ständig, wo sie rausmüssen. Nicht, dass sie mehrmals gesagt hat, dass sie Rüfikopf aussteigen. Wir fahren den Pass hinauf, dichte Wolken hängen in den Bergtälern und verlieren ab Zürs reichlich Wasser. Ich hole die Regenkleidung aus und steige in Lech am Dorfhus aus, laufe von dort die paar Meter zum Hostel. Alle Menschen grüßen freundlich – man fühlt sich gleich wie zu Hause.
Lech am Abend
Das Zimmer ist einfach aber praktisch, doch damit das Bett mit zwei Metern Länge überhaupt quer hinein passt, ist in eine Wand eine 10cm tiefe Nische gestemmt worden – lange Menschen hätten hier definitiv ein Problem. Direkt auf dem Flur nebenan gibt es zwei Badezimmer für alle. Handtücher kann man für 3€ leihen, das hatte ich vorher nicht gesehen, ist mir aber auch egal. Als Tipp für das Abendessen wird mit der Fritz hinter der Kirche empfohlen. Ich laufe zunächst zur Rüfikopfbahn, doch die Fahrt zum Sonnenuntergang wurde aufgrund schlechter Witterung abgesagt. Beim Fritz gibt’s Almdudler und vegetarische Schlutzkrapfen, meinem Kreislauf helfe ich mit einer Cola noch etwas auf die Sprünge. Dieses lange Sitzen war nicht gut, ich muss mich gleich nochmal ein bisschen bewegen. Es ist trocken, aber recht frisch. Der Lech rauscht hier schon mit reichlich Wasser und Geschwindigkeit ins Tal, die Bergrücken erstrahlen in sattem Grün. Im Hostel packe ich den Rucksack für morgen, schon während des Telefonats liege ich mehr schlafend als wachend im Bett.