Samstag, 22. Juli 2023

Bereits um Viertel vor sechs bin ich wach, fühle mich erholt und ausgeschlafen. Dann kann ich ja auch den Bus um 8.20 Uhr nehmen. Ich mache mich fertig, versorge den Zeh und mache mich auf den Weg zum SPAR, wo ich Frühstück und Mittagessen kaufe. Am Brunnen bei der Bushaltestelle entnimmt der Mann vom Chalet „Säge“ mit einer kleinen gelben Gießkanne Wasser für seine Geranien. Kurz darauf steht er – immer noch in schwarzer Hose, weißem Hemd und schwarzer Weste – auf einer Leiter und kümmert sich liebevoll um die Geranien vor den Fenstern im ersten Stock.

Mit dem Bus zum Formarinsee

Ein Pärchen, ein Ehepaar mit erwachsener Tochter und zwei ältere Herren steigen mit mir in den Bus ein. Erst wundere ich mich, warum hier überall Teppichboden ist – aber da der Bus vermutlich auch im Winter eingesetzt wird, ist das eine kluge Idee, weil es sonst bestimmt die eine oder andere Rutschpartie mit Skischuhen gibt. In Zug steigen zwei junge Frauen mit ihrem Wanderführer ein. An der Endhaltestelle laufe ich zielstrebig Richtung See – doch ein wenig zu zielstrebig, denn der Weg führt in eine kleine Sackgasse. Wie die Lemminge alle aus dem Bus hinter mir her 🙈

Formarinsee

Nach wenigen Metern erreiche ich den 2015 zum schönsten Fotomotiv Österreichs gewählten See. Auf 1.793 m Höhe speist er sich jedes Jahr durch Schmelzwasser erneut. Einige Angler stehen am Seeufer, ein Pferdehirte führt eine Stute am Strick hinter sich her, die Herde folgt bis auf zwei Ausnahmen sehr willig und brav. Nur wenige Touristen sind zu dieser frühen Stunde schon hier. Ich drehe um und starte mit dem Lechweg.

Lechweg – Etappe 1

Ich bin sehr dankbar, dass die hohen Schuhe passen. Der Weg geht über Geröll, durch kleinere Flüsse und nicht selten auch ziemlich steil abwärts. Rückwärts kommt man immer runter, darf nur keiner zugucken 🤣 Ich kann mich nicht satt sehen an Bergen, Wiesen, Wasserfällen, Pferden, Kühen, Holzstegen. Nur wenige Menschen sind unterwegs, ab und an überholen mich joggende Personen und ich habe Angst um jeden einzelnen Fuß. An einigen Stellen muss ich an Carina denken – es gibt zahlreiche Abbruchkanten und an denen geht es flugs hinab in den Lech, der hier schon ordentlich Wasser führt und durchaus als Fluss bezeichnet werden darf. Der Bergführer der beiden Damen baut immer mit Stöcken ein „Geländer“, dementsprechend langsam geht es voran. Irgendwann kommen mir erste Wanderer entgegen, Herren eindeutig in der Überzahl. Annes Meinung zu perfekten Wanderwegen kommt mir in den Sinn: „Sie brauchen Toiletten.“ Die sind hier natürlich auch Fehlanzeige.

Mittagspause

Zwei trockene Brötchen mit abgepacktem Käse müssen reichen. Kurze Videogrüße zwecks Telefonatplanung erfreuen die arbeitende wie die urlaubende Bevölkerung gleichermaßen. Die Frage, was meine aktuelle Höhe sei, beantworte ich mit: „Du fragst mich Sachen 🤣🙈 1.600 oder sowas? 🤷🏽“ Ich überlege gerade, wo ich die richtige Antwort finde könnte und studiere Höhenlinien bei Komoot, als schon die erstaunte Frage kommt: „Waaaaas ??…..“ Ja doch, schon gut, ich muss nur noch weiter bei Komoot swipen: 1.760. Wieder was gelernt. 😄

Ankunft Lech

Nach 16 km erreiche ich Lech. Im SPAR gibt’s ein bisschen Schoki und Weingummis sowie eine Spezi. In der Bäckerei gegenüber erstehe ich Brötchen und gönne mir einen Apfelstrudel (mit Vollkornteig und Walnüssen) mit Vanilleeis. Er schmeckt unglaublich gut, auch das Eis ist selbst hergestellt. Kommentar der Verkäuferin: „Das Problem ist immer, dass die Stücke so filigran sind und oft kaputt gehen – kann man dann ja gar nicht mehr verkaufen!“ 🤣 Sie ist begeistert von meiner Handyhalterung und will ganz genau wissen, wie das funktioniert. An zwei Bankautomaten versuche ich, kostenlos Geld abzuheben – vergebens. Nicht ganz so schlimm – hier gehen in der Regel auch Kleinstbeträge mit Karte.

Gottesdienst

In der Kirche St. Nikolaus nehme ich Platz, lasse den Raum auf mich wirken. Ich singe „May the Road“ und gehe noch rüber in den Neubau. Der Boden fällt zum Altarraum hin ab, große Fenster lassen viel Licht rein – und setzen Gott so in die Mitte des Ortes, denn den großen Kirchplatz teilen sich Kirche, Volksschule, Skikindergarten und Grundschule gleichermaßen. Ich nehme den Flyer „Wo und wie Kirche wirkt“ mit, wo genau aufgeschlüsselt ist, wo das Kirchengeld hingeht. Tue Gutes und rede darüber. Im Hostel zahle ich meine Handtücher, dusche ich, lege kurz die Füße hoch und mache mich wieder auf den Weg zur Kirche. 18.30 Uhr haben sich rund 50 Menschen hier versammelt, ein Franziskanerpater aus Füssen macht Urlaubsvertretung. Er führt gute Gedanken zum Thema: „Macht Macht glücklich?“ aus. Zum Segen sagt er, dass Gott keinen Urlaub macht, weil er unsere Urlaubsreisen mit seinem Segen begleitet.

Abendausklang

Im Fritz werde ich gefragt, ob ich wieder am gleichen Tisch wie gestern sitzen möchte. Gerne. Zum Almdudler gibt’s heute Burger. Mit Fleisch von [bis zu ihrem Tode] glücklichen Kühen (man beachte die nachträglich vorgenommene Präzisierung 😄). Bevor der Kellner liefert, greift er hinter der Theke nochmal kurz zum Parfumflakon… Neben mir nimmt das Pärchen Platz, das auch gestern neben mir saß. Die Pommes sind zu viel des Guten, die schaffe ich nicht alle. Im Hintergrund läuft eine 80er-Jahre Playlist inkl. Pretty Woman (schöne Grüße an Tanja!), das gefällt mir. Der Kellner bedankt sich fürs Trinkgeld, fragt: „Bis morgen?“ Ich verneine und er wünscht mir noch einen schönen Urlaub. Heute früher als sonst ein kurzes Telefonat, aber besser als gar keins. Füße hoch und früh schlafen.