Mittwoch, 26. Juli 2023

Der Tag beginnt mit einem morgendlichen Gruß aus dem Regen, ich schaue auf schneebedeckte (!!) Berge. Die Temperatur ist deutlich gesunken, es riecht nach Schnee und Regen und die Luft ist verhältnismäßig eisig kalt. Es hat keine zehn Grad. Mama und Papa gratulieren telefonisch, Ludger, Kevin, Frau Ahn, Frau Kretschmer, Elisabeth und Doris via Signal bzw. WhatsApp. Der Wirt serviert mir einen kalten Kakao – also in echt ohne Eis 🥰 Ich packe alles zusammen und zahle die 1,90 € Kurtaxe in bar, drücke dem Wirt eine Tafel Merci in die Hand: „Für den Reis.“ Er ist sichtlich verwirrt, ruft seine Frau, die sich bedankt und meint, das sei nicht nötig gewesen.

Nieselregen

Ich habe Fleece und Regenjacke an, es ist wirklich frisch. Beim Bäcker geht es nicht voran – bis die Bedienung sagt, dass sie die Kasse nicht bedienen kann. Das Down-Syndrom war mir bis zu dem Zeitpunkt gar nicht aufgefallen. Ich nehme eine Semmel und eine Nussschnecke mit und mache mich auf den Weg. Es geht durch ein Wäldchen, leichter Nieselregen begleitet meinen Weg. Die Landschaft weitet sich, überall Schnee auf den Bergen, tief im Tal hängende Wolken. Ein Wintertraum im Sommer. Ich kann mich nicht satt sehen und komme zügig voran. Ein Nebenfluss sorgt für Szenen wie aus dem Auenland, außer mir hat sich kaum ein Mensch heute hierher verirrt.

Lechrauschen

Der Lech ist mittlerweile ein reißender Strom, ich verschicke Videogrüße mit Sound. Die Gedanken kreisen, ich versuche, sie in einer Sprachnachricht an Björn in geordnete Bahnen zu lenken. Erst seine Antwort lässt das Kreisen enden. Dankbar für diese Freundschaft kommt das Strahlen zurück auf mein Gesicht. Ich erreiche Hänselgehr, das Freibad hat heute geschlossen, auf dem Lech treiben zwei Rafting-Boote hinab. Ich entscheide mich für weitere 7 km, Lohnt ja nicht, hier schon zu enden. Die Wasserfälle, die mich schon die ganze Etappe über begleiten, werden auch hier nicht weniger. Ich entdecke einen Stall mit Holzstapeln davor – die Sonne scheint mir bei der Mittagspause ins Gesicht, doch ich kann mich von keiner Kleidungsschicht trennen. In Gedanken versunken schaue ich auf die Berge und wage eine Wetterprognose. Es wird Regen geben.

Zielort Elmen oder Hänselgehr?

Mein innerer Wetterfrosch hatte Recht: wenige Meter später setzt der Regen ein. Es geht abwärts Richtung Elmen, hier wird gerade eine neue Brücke gebaut, so dass man einen Umweg laufen muss. Der Bus Richtung Hänselgehr fährt um 14.45 Uhr ab – perfekt, das reicht für ein kurzes Telefonat. Am Hotel Sonne sieht mir im Vorbeifahren schon alles sehr ausgestorben aus, ich gehe aber erst einmal einkaufen. Der Ort ist ziemlich trostlos, viele Höfe sind verfallen, in den Ställen gähnende Leere. Wie in manch deutschen Landstrichen auch konnte dieses Örtchen nicht mit den anderen mithalten und verfällt zunehmend. Zurück am Hotel ist die Tür verschlossen, die Fenster blind, das Schild Ruhetag leuchtet mir entgegen. Ein junger Mann, der hier essen möchte, schaut ebenso ratlos drein, er geht zum Café ein paar Meter die Straße runter. Ich rufe beim Hotel an, doch es kommt nur eine Stimme, dass man eine Mail schicken soll. Mir ist nicht wohl bei der Sache und ich gehe zurück zur Bushaltestelle. Der Wind pfeift und es ist ungemütlich kalt. Zurück in Elmen gehe ich zur Pension Elmerhof, Booking hat mir hier ein freies Zimmer für 132€ prognostiziert.

Spontanbuchung

Im Eingang hängt ein Schild, dass noch Zimmer frei seien und man anrufen könne. Gesagt, getan – für 72€ in bar (jetzt bin ich blank…) bekomme ich ein großzügiges Zimmer mit Badmöbeln aus den 70ern. In gelborange. Frühstück gibt es ab acht Uhr, der Wirt empfiehlt mir die Kaiserkrone wenige Meter entfernt zum Abendessen. Am Bankautomaten hebe ich Geld ab, dafür wird eine Gebühr von 3,95€ fällig. In der Kaiserkrone gibt’s noch Platz für mich und ich bestelle Tiroler Gröstl. Die Portion ist wie immer mehr als großzügig. Es ist aber super lecker und ich esse alles auf. Die Wirtin schmeißt mit viel Herzblut den ganzen Laden alleine, nur ein junger Mann hilft beim Servieren und Abräumen. Es dauert fast 30 Minuten, bis die Eiskarte bei mir ankommt, die Bestellungen für die Heiße Liebe gebe ich an der Theke auf, das klappt dann doch besser. Gut gesättigt und Dank einiger WhatsApp-Nachrichten wieder mit Infos netter Menschen versorgt gehe ich durch die kühle Luft zurück zur Pension. Nach Bloggen und dem abendlichen Telefonat mit Unterbrechung für das YouTube-Video „Open the door Werbung“ (lange nicht mehr so herzerfrischend gelacht) geht es ins Bett.