Donnerstag, 23. August 2018

Um vier Uhr werde ich mit Bauchkrämpfen wach, es legt sich auch bis zum Weckerklingeln um 7.00 Uhr nicht. Das Schicksal teilt Margret, die hat es aber noch schlimmer erwischt. Der Bus fährt um 8.35 Uhr Richtung Georgische Grenze los. Die Straße ist übersät mit tiefen Schlaglöchern, die tiefen Täler weichen allmählich einer großen Tiefebene. An der Grenze steigen wir alle aus und gehen zu Fuß ein Stück, der Busfahrer kommt mit dem Gepäck hinterher.

Georgien zu Fuß

Die Einreise nach Georgien erfolgt zu Fuß, auf der anderen Seite der Passkontrolle warten schon Salome und Acha mit dem neuen Bus. Nach einer Toilettenpause geht es los. Hier leben viele Aserbaidschaner, es gibt bewirtschaftete Felder, Pferdekutschen prägen das Bild ebenso wie Straßenhändler (es sind wirklich fast ausschließlich Männer), die Waschmittel oder Wassermelonen verkaufen. Zusammenhang nicht ausgeschlossen. 70% des Landes, das etwa so groß wie Bayern ist, besteht aus Bergen. Die Flagge zeigt seit dem Mittelalter fünf rote Kreuze auf weißem Grund: Das St. Georgskreuz in der Mitte, die vier anderen sind die Himmelsrichtungen oder in der Mitte Jesus und drumherum die vier Evangelisten oder auch die fünf Wundern Jesu. Man wähle die für sich schlüssigste Variante.

Dschwari-Kirche

Rund um Tbilisi (Tiflis) wird gebaut, außerdem ist Merkel zu Gast, so dass wir einige Zeit im Stau stehen. Die Neubauten sehen aus wie die Plattenbauten aus den 60er/70er Jahren, so dass das Stadtbild weiterhin von ihnen geprägt wird. Seit dem 5. Jahrhundert nach Christus ist Tiflis Georgiens Hauptstadt, die mit Wendys, Dunkin Donut und McDonalds europäischen Hauptstädten in nichts nachstehen will. Der georgischen Heerstraße weiter folgend erreichen wir alsbald die Dschwari-Kirche, die hoch über dem Zusammenfluss der Flüsse Mtkvari du Aragvi thront. Als eines der vollkommensten Beispiele frühgeorgische Baukunst besticht sie durch das Holzkreuz im Innern, das an die Heilige Nino erinnert. Das achteckige Fundament des Nino-Kreuzes ist fast perfekt in die Mitte der Kirche platziert. Seit 500 Jahren steht sie dort, seit einigen Jahren wird sie zusammen mit der Kirche Sveti Tskhoveli in der Innenstadt von Mtskheta als UNESCO Weltkulturerbe geführt. Als Frau trägt man Kopftuch, aber so ganz genau nimmt es hier niemand. Die Kirche ist von einem ganz anderen Baustil geprägt als die in Armenien – und dabei ist das Land doch gar nicht so weit weg.

Mtskheta

Es geht ins Tal nach Mtskheta, das lange Zeit Georgiens Hauptstadt war. Da es jedoch schwer zu verteidigen war, wurde Tiflis gegründet und neue Hauptstadt. Den Charme des alten Ruhms hat Mtskheta beibehalten, wenngleich die Moderne Einzug gehalten hat. Am Busparkplatz gibt es Toiletten. Für 0,30 Lari (also rund 10 Cent) gibt’s drei Blättchen Klopapier und ein Stehklo. Der Weg zur Kirche Sveti Tskhoveli („lebenspendender Stamm“) aus dem 11. Jahrhundert wird gesäumt von Lokalen, kleinen Geschäften und Händlerständen. Über dem Kreuz der Basilika erhebt sich eine mächtige, sechzehnkantige Kuppel. Durch ihre schmalen, vertikalen Öffnungen dringt das Licht in stets wechselndem Winkel ein. Die Fassade weist überall prächtige Arbeiten auf – natürlich darf auch hier nicht der heilige Georg, der Schutzpatron des Landes – fehlen. Bis heute leben und wirken hier Mönche, ihre Zimmer gehen von kleinen Türen in der umgrenzenden Mauer ab. Mir ist so übel, dass ich Salome nur bedingt folgen kann. Sie gibt uns eine Stunde Zeit, um Mittag zu essen. Ich schlendere durch die Gassen und erstehe schließlich für 1 Lari ein Kartoffel-Brot, das locker so groß ist wie zwei Brötchen. Im Schatten eines Baumes am Parkplatz lasse ich mich nieder und esse, neben mir breitet eine Familie einen Teppich aus und betet gen Osten. Zurück am Bus erkenne ich, wofür der Mann Fotos gemacht hat, aus wir aus dem Bus gestiegen sind: Er hat unsere Gesichter auf kleine Untertassen übertragen, die er nun zum Verkauf anbietet. Von Datenschutz und Recht am eigenen Bild hat man hier offenbar noch nie etwas gehört…

Klosterfestung Ananuri

Um 15.30 Uhr geht es weiter gen Norden. Bei Dorf Zhinvali erhebt sich die Staumauer des Aragvi-Stausees. Er versorgt das rund 70 Kilometer entfernte Tiflis mit Wasser. Sieht ein bisschen aus wie zu Hause. Kurz darauf erblicken wir die Klosterfestung Anauri. Auf recht kleinem Raum beherbergt die Festung zwei Kirchen – die kleinere und etwas ältere Erlöserkirche (Kuppelbasilika) und die Kirche der Mariä Himmelfahrt (Kreuzkuppelbau), sowie einen Glockenturm, einen sechsgeschossigen Wehrturm und zwei Wirtschaftsbauten mit Badehaus. Alle Gebäude stammen aus dem 17. Jahrhundert und sind recht gut erhalten.

Gebirgsbach und Alpenwiesen

Im Tal der Aragvi werden die Berge von Kilometer zu Kilometer höher, auf ihren steil abfallenden Hängen grasen friedlich Kühe. Man könnte fast meinen, man befände sich in den Alpen. Die Wiesen sind satt grün, die Aragvi ist kristallklar und an vielen Stellen wird Rafting angeboten. Wir nähern uns nach der Baumgrenze, als sich der Bus über die Brücke und dann die Berge hinaufquält. Heute sind viele LKW unterwegs, immer wieder müssen sie oder wir pausieren, um gefahrlos die Engstellen zu umfahren. Nach 18 haarnadelscharfen Serpentinen erreichen wir das Dorf Gudauri auf 2.196 Metern Höhe.

Skipanorama im Sommer

Schon seit einiger Zeit regnet es, in den Bergen scheinen ganze Sturzbäche vom Himmel zu fallen. Als Pass- und Poststation berühmt geworden zählt das Dorf heute zu einem der beliebtesten Skisportzentren des Landes. Sieben Sessellifte erschließen rund 50 Pistenkilometer. Mit 45 € kann man hier 3 Tage Skifahren – für viele Russen ein beliebtes Urlaubsziel, können sie doch ohne Visum einreisen. Georgier benötigen umgekehrt ein Visum, so dass der einzige Grenzübertritt nach Russland, der nur wenige Kilometer entfernt ist, nur selten genutzt wird.
Wir checken im Hotel Gudauri Marco Polo ein, wo eine Nacht im Doppelzimmer mit Vollpension rund 200 € kosten. Ich bin ziemlich platt, begebe mich dennoch zum Abendessen. Außer zwei Scheiben Brot mit Chili-Tomaten-Aufstrich und einem kleinen Stück Schokokuchen bekomme ich nichts runter. Ich bleibe noch ein wenig sitzen und unterhalte mich mit Mitreisenden, die als pensionierte Beamtinnen vier Urlaube pro Jahr machen und das Winterhalbjahr auf Teneriffa verbringen.
Ich begebe mich früh aufs Zimmer, so langsam ist der Magen dann auch mal leer, würde ich behaupten…