Freitag, 24. August 2018

Der Wecker schrillt um halb acht, zum Frühstück probiere ich zwei kleine Scheiben Brot, so ganz wohl ist mir noch nicht. Es regnet in Strömen, der ganze Ort versinkt in einer dicken Wolkenschicht. Salome versichert uns, dass es auf der anderen Seite des Kreuzpasses anders aussieht.

Georgische Heerstraße Richtung Russland

Nach etwa einer halben Stunde Fahrt erreichen wir den Kreuzpass auf einer Höhe von 2.379 m. Der Soldatenfriedhof für deutsche Kriegsgefangene liegt im Nebel, so dass wir weiterfahren. Folgten wir bisher dem Fluss Aragvi, der nach Süden fließt, bildet der Kreuzpass auch die Wasserscheide für den Fluss Terek, der Richtung Russland das Tal hinabfließt. Mineralquellen säumen den Weg, so dass der Stein hier wie Schnee aussieht. Immer wieder müssen wir anhalten, um entgegenkommenden LKW Platz zu machen, dabei werden wir von hinter uns fahrenden LKW gerne überholt. Dass es hier nicht regelmäßig zu schweren Unfällen kommt, ist bewundernswert.

Kasbegi und die russisch-georgische Geschichte

Wir erreichen den Ort Stepantsminda, der erst seit Georgiens Unabhängigkeit von Russland wieder so heißt. Stepan ist ein georgischer Männername, tsminda bedeutet so viel wie „heilig“. Das ging im Kommunismus natürlich nicht und so wurde der Ort kurzerhand in Kasbegi unbenannt, da der Berg nur unweit entfernt ist. Der Ort liegt in 1.700 m Höhe und ist Ausgangspunkt für zahlreiche Wandertouren. Für den Aufstieg zum 5.047 m hohen Kasbegi, dem zweithöchsten Berg Georgiens, benötigen erfahrene Bergwanderer mit Kletterkenntnissen inkl. Akklimatisierung drei bis vier Tage.
Im Ortsinnern trennt sich die Spreu vom Weizen: Salome macht sich mit einigen, die gut zu Fuß sind, auf den rund zweistündigen Fußmarsch zum Tsminda Samba (Dreifaltigkeitskirche), die anderen nehmen die Jeeps. Da ich noch nicht fit bin, entscheide ich mich ebenfalls für den Jeep, denn es gilt, fast 500 Höhenmeter zu überwinden. Da wir bis zur Abfahrt des Jeeps noch etwas Zeit haben, schlendere ich durch die Gassen des Ortes. Der Himmel ist wolkenverhangen, aber der kräftige Wind sorgt für immer mehr Wolkenlücken.

Gergeti-Dreifaltigkeitskirche

Um 11.15 Uhr geht es los, der kleine Jeep quält sich mit sechs Personen plus Fahrer die abenteuerliche Steinpiste herauf. Irgendwann muss der Allradantrieb herhalten, immer wieder überholen sich die Jeeps, waghalsige Manöver lassen mich kurz zucken. Nach rund 30 Minuten erreichen wir die Kirche, die inmitten dieses wunderschönen Gebirges auf einem Plateau thront (meine Güte, wieso fällt mir hier für einfach kein anderes Wort ein, dass diesem erhabenen gewachsen ist?). Erbaut wurde die Kirche von 1318 bis 1346. Sie gilt als Walfahrtskirche und am 28. August wird es hier vermutlich sehr voll werden – denn dann begeht die orthodoxe Kirche das Fest Maria Entschlafen – Mariamoba. Die tausende von Pilgern bringen Opferschafe mit, die von den Priestern gesegnet, dann geschlachtet und auf den Wiesen rund um das Gotteshaus gehäutet, ausgenommen, gekocht und vor Ort verzehrt werden.
An den Bergen kann ich mich nicht satt sehen und bin froh, dass wir über eine Stunde hier oben verweilen können. Der Kasbegi versteckt sich hinter Wolken, aber das Panorama ist dennoch unbeschreiblich schön und gehört jetzt schon zu einem Highlight dieser Reise. Die Wandertruppe kommt geschafft aber glücklich an, einige fahren mit uns wieder ins Tal.

Chikali zubereiten

Gegen halb drei sammelt uns der Busfahrer wieder ein und nach wenigen Minuten erreichen wir das Privathaus einer Familie, die uns üppige Speisen auftischt. Ich bleibe bei Brot und ein bisschen Kartoffeln, im Magen rumort es. Da gerade Stromausfall ist, müssen wir ein wenig Zeit überbrücken und Salome spielt georgische Lieder auf dem Klavier, das dringen mal wieder gestimmt werden dürfte. Noch bevor die Hauptspeise serviert wird, suche ich zum ersten Mal das Klo auf.
Chinkali ist das Nationalgericht in Georgien – eine mit Hackfleisch gefüllte Teigtasche, die kunstvoll zusammengefaltet wird. Einige von uns versuchen sich daran, scheitern aber kläglich. Zum Glück hat die Hausfrau schon einige Chinkali vorbereitet, die heiß serviert direkt mit den Fingern gegessen werden. Ich probiere eine Hälfte und renne schon wieder aufs Klo. Super.

Lebt wohl, ihr Berge…

Es geht wieder zurück. Da es keine Chemikalien für die Bordtoilette gibt, sind in ganz Georgien alle Toiletten in Reisebussen geschlossen. Ich werfe dann doch Durchfall-Medikamente ein, hilft ja nix. Beim ersten Stopp am Kreuzpass ist noch alles ok, beim längeren Stopp an der Mosaikwand oberhalb von Gudauri (wird übrigens Gu-da-u-ri gesprochen) muss ein Busch herhalten. Zurück im Hotel bin ich als erste auf dem Zimmer, wo ich auch mal gepflegt das Abendessen verpasse und einfach nur froh bin, in der unmittelbaren Nähe einer Toilette zu sein…