Sonntag, 15. Oktober 2023

Über Brandon erstrahlt ein traumhafter Sonnenaufgang. Das Lachen vergeht mir beim Frühstück: Es gibt ausschließlich Einweg-Geschirr! Pappteller, Plastik-Gabeln, Pappbecher, eingeschweißte Muffins und Bagels. Da können wir in Deutschland noch so viel für den Klimaschutz versuchen – hier gelingt es gar nicht. Die Menschen holen jedes Mal einen neuen Teller, wenn sie sich etwas nachholen. Ich frühstücke einen Bagel, mache mich dann fertig.

Eiskalt

Die Sonne straft der Temperaturen Lüge – meinen Frontscheibe überzieht eine leichte Eisschicht, das Thermometer zeigt 2 Grad und eine Eiswarnung an. Es ist ein wenig kompliziert, auf den Highway zu kommen, da zahlreiche Baustellen ein Auf- und Abfahren erschweren. Schließlich gelingt es und es geht auf dem Trans Canada Highway Richtung Osten, bei Carberry biege ich nach Süden ab. Landwirtschaftliche Flächen, wohin das Auge reicht, McCain hat hier eine seiner größten Pommes-Produktionsstätten. Laut Wikipedia erwarb McCain diese Anlage am 31. Oktober 2004 von Midwest Food Products Inc., einer Tochtergesellschaft von Nestlé Canada Inc., zu einem nicht genannten Kaufpreis. Hier werden jedes Jahr etwa 430 Millionen Pfund Kartoffeln aus Manitoba verarbeitet, hauptsächlich zu Pommes Frites. Die Straße ist in keinem guten Zustand, links und rechts Hinweise auf First Nations Land. Außer mir ist kaum jemand auf der Straße.

Spruce Woods Provincial Park

Etwa eine Stunde nach Abfahrt erreiche ich den Spruce Woods Provincial Park. Im stoppen am malerischen Marsh Lake und laufe den kurzen Rundweg. Raureif überzieht die Wiesen und kahlen Baumstämme. In der Ferne ist der Highway schwach zu hören. Weiter geht’s nach Süden zum größeren Wandergebiet an der Düne. Richtig, mitten in Manitoba gibt es eine Sanddüne, auf die ich bei der Recherche zum Urlaub gestoßen bin. Ich wähle den Devils Punch Bowl Trail, der mit 8 km angegeben ist. Die Landschaft ähnelt der Lüneburger Heide, die Wege sind komplett aus Sand, was das Vorankommen deutlich erschwert. Der Himmel ist strahlend blau, die gelben Blätter der Pappeln zaubern ein phantastisches Farbenspiel. Zwei junge Frauen überholen mich, bei jedem Fotostopp treffen wir uns wieder. Der Devils Punch Bowl ist ein verwunschener kleiner See, über den eine sehr wackelige Brücke führt. Die Landschaft ist traumhaft und zeigt mir einmal mehr, wie vielseitig die Landschaften dieser Provinz sind. Um halb eins sitze ich wieder im Auto.

Next Stop: Winnipeg

Immer Richtung Osten mache ich nach einer Stunde Rast in Elm Creek und vertrete mir die Beine. Am Sonntag hat Co-Op geschlossen, das WLAN funktioniert dennoch und ich kann für den morgigen Flug einchecken. Ich komme zügig voran und parke um 15.15 Uhr am Museum for Human Rights. Den Parkautomaten verstehe ich erst mit Hilfe des Google Übersetzers: Man muss sein Kennzeichen eingeben und dann sagen, wie lange man parken möchte, dann Kreditkarte und fertig. 2$ für zwei Stunden finde ich fair. Vor dem Museum mehrere Versammlung gegen den Krieg in Nahost. Wo, wenn nicht hier?

Museum for Human Rights

Ist das Museum schon von außen ein Hingucker, so muss sich das Innere nicht verstecken. Die Toiletten sind unisex: es gibt keine Unterscheidung zwischen Männlein, Weiblein, Rollstuhlfahrer*innen, für die Monatshygiene stehen kostenlose Spender bereit. 18$ und der Hinweis, dass sie um 17 Uhr schließen. In einer großen Spirale führt der für Rollstuhlfahrer*innen geeignete Weg von Etage zu Etage. Start ist eine Übersicht mit den verschiedenen Menschenrechtsverletzungen und den daraus resultierenden Gesetzen und Vereinbarungen. Danach arbeiten die Kanadier*innen ihren Umgang mit den First Nations auf und machen deutlich, wie sie zum Einwanderungsland wurden. Eine komplette Etage ist dem Holocaust gewidmet. Vor dem Hintergrund um die antisemitischen Vorwürfe von Precht und Lanz (orthodoxe Juden düften nur als Diamanthändler arbeiten) und der weiterhin starken AFD bei Landtagswahlen gewinnt das Thema noch einmal an Bedeutung. In der letzten Etage hat man die Ausstellung um den Krieg in der Ukraine erweitert. Am höchsten Punkt des Gebäudes prangt ein Schriftzug für den Ideengeber dieses Museums: Israel Asper – Tower of Hope.

Hotelzimmer

Zum Hotel sind es nur wenige Minuten, aber die haben es in sich. Mitten auf der Straße vor dem Museum for Human Rights gibt es Stoppschilder – die erübrigen einen Zebrastreifen. Einmal biege ich falsch ab, mache einen U-Turn und sehe hinter mir die Polizei… Die aber zum Glück woanders hinfährt. Am Hotel gibt es kostenfreie Parkplätze, ich checke ein. Nach dem einmaligen Betätigen der Toilettenspülung läuft diese weiter und weiter und weiter. Ich werde umgebucht, was mir ganz gelegen kommt, da das neue Zimmer zum Hinterhof rausführt und nicht zur Straße. Das Zimmer ist geräumig und ausnahmsweise läuft hier mal keine Klimaanlage.

The Forks

Zu Fuß geht’s zu The Forks. Hier tummelt sich gefühlt die halbe Stadt. Ich esse Poutine und versuche die Regeln von Euchre zu verstehen – Yves und Mandy haben zahlreiche Freundinnen und Freunde zu einem entsprechenden Spieleabend am Donnerstag geladen. So ganz Durchsteige ich noch nicht, welche Karte wann Trumpf ist und vor allem welche Rolle die Bauern spielen. Man muss mit seinem Partner/seiner Partnerin möglichst viele Stiche machen, das ist ja durchaus mit Doppelkopf zu vergleichen, nur dass man bei Euchre bereits weiß, wer mit wem spielt. Mit einem Eis in der Hand schlendere ich ans Ufer, zahlreiche Menschen genießen hier die einsetzende Dämmerung. Zurück im Hotel schaue ich noch einen Film, spiele einige Runden 10.000 und Blogge.